Stellungnahme von Suisseculture zur Vernehmlassung über die Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung

Ausgangslage

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «200 Franken sind genug! (SRG-Initiative)», auch «Halbierungsinitiative» genannt, ab. Er schlägt aber eine Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) vor, die eine Senkung der Radio- und Fernsehabgaben von Haushalten vorsieht. Zudem sollen mehr Unternehmen als bisher von der Abgabepflicht befreit werden.

1. Der Bundesrat lehnt die Initiative zu Recht ab

Suisseculture begrüsst es sehr, dass der Bundesrat die Volksinitiative «200 Franken sind genug!» deutlich ablehnt. Damit setzt er ein wichtiges Signal zur Aufrechterhaltung des Service Public in der Schweiz.

Eine Annahme der Initiative hätte gravierende Folgen für unser Land und den Zusammenhalt zwischen den Sprachregionen. Die SRG müsste ihr (sprachregionales) Angebot massiv verkleinern und könnte ihren Programmauftrag nach Art. 24 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen RTVG nicht mehr wahrnehmen. Es käme zu einer Verarmung des Angebots und zu Massenentlassungen. Zudem würde die Zusammenarbeit mit der unabhängigen Audiovisions- und Kulturbranche massiv reduziert, womit das Kulturschaffen in der Schweiz empfindlich beschnitten würde. Die SRG ist eine wichtige Partnerin der unabhängigen Branche und trägt mit ihren Aufträgen und Koproduktionen wesentlich zu einem soliden und vielfältigen Schweizer Kulturschaffen bei. Gleichzeitig nimmt sie eine zentrale Rolle in der Diffusion von Kulturangeboten respektive im Kulturjournalismus ganz allgemein wahr, die angesichts der Medienkonvergenz und Sparrunden in den Feuilleton-Redaktionen immer wichtiger wird für das Schweizer Kulturschaffen. Die SRG sichert heute die kulturelle Vielfalt der Schweiz und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Identifikation mit unserem Land. Sie verschafft dem Schweizerischen Kulturschaffen Sichtbarkeit.

Um ein vielfältiges und alle Sprachregionen inkludierendes Kulturangebot in unserem Land zu sichern, sind wir auf eine starke SRG angewiesen. Private Medien wären nicht in der Lage, eine solche inhaltliche Berichterstattung zu übernehmen. Bei einer Annahme der Initiative müsste sich die SRG ausschliesslich auf die Information beschränken und auf andere Bereiche, insbesondere auf die Kultur, weitgehend verzichten.

2 Senkung der Radio- und Fernsehabgaben (Teilrevision RTVV)

2.1 Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der SRG

Der mediale Service public resp. insbesondere die SRG schaffen eine beachtliche Wertschöpfung und sichern Arbeitsplätze in einer Vielzahl von anderen Unternehmen [1]. Wenn die SRG aufgrund der Kürzung der Mittel Leistungen und Arbeitsplätze abbauen muss, hat das grosse Auswirkungen auf andere Unternehmen. Die SRG geht davon aus, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Senkung der Radio- und Fernsehabgaben, die Gegenstand der Vernehmlassung ist, und die damit verbundenen wegfallenden Mittel zu einem stufenweisen Abbau von rund 900 Stellen bei der SRG sowie zu einem Wegfall von ungefähr gleich vielen Stellen bei Lieferanten und weiteren Drittfirmen führt [2]. Tatsächlich dürften der Wegfall der Mittel und die damit verbundenen Einsparungen also weit über die SRG hinausreichen und die Vitalität und insbesondere die Vielfalt der Kultur in der Schweiz beeinträchtigen.

2.2 Kultur ist eine Kernaufgabe der SRG

Der vorliegende Vorschlag des Bundesrates sieht vor, die neue Konzession der SRG im Anschluss an die vermutlich 2026 stattfindende Volksabstimmung zur «200-Franken sind genug! (SRG-Initiative)» auszuarbeiten und per 2029 in Kraft zu setzen. Bis Ende 2028 soll der Leistungsauftrag der SRG unverändert bleiben. Die finanziellen Mittel, welche zur Erfüllung des Leistungsauftrags zur Verfügung stehen, würden mit dem vorliegenden Revisions-Vorschlag bereits ab 2027, also vor dem Inkrafttreten der neuen Konzession, deutlich gesenkt. Dieses Vorgehen ist nicht nachvollziehbar. 

Das konsistente Vorgehen wäre: Den medialen Service public in der Schweiz ganzheitlich zu analysieren und anschliessend zu definieren, welche Leistungen davon einer nationalen Service-Public-Anbieterin abgedeckt werden müssen und welche subsidiären Leistungen von regionalen und lokalen Anbietern. Aus diesen Anforderungen – basierend auf den zahlreichen Erfahrungswerten und wissenschaftlichen Studien seit Einführung des dualen Systems des medialen Service public in der Schweiz kann anschliessend der Finanzbedarf abgeleitet werden, wobei dieser gemäss RTVG Art. 68a Abs. 1 Bst. a – c für die Bestimmung der Abgabenhöhe massgebend ist. Entsprechend wird auch der Kreis der Abgabepflichtigen definiert. 

Der Bundesrat muss folglich zuerst den Auftrag neu definieren, entsprechend den finanziellen Bedarf berechnen, und erst dann kann er die Abgabenhöhe neu festlegen. 

2.3 Kultur und Unterhaltung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden

Gemäss Medienmitteilung des Bundesrats vom 8. November 2023 soll die SRG ihren Auftrag ab 2029 im Rahmen der neuen Konzession verstärkt auf Information, Bildung und Kultur ausrichten. Bei der Unterhaltung und beim Sport soll sie gemäss Bundesrat auf jene Bereiche fokussieren, die von anderen Anbietern nicht abgedeckt werden.

Suisseculture begrüsst, dass der Bundesrat die SRG anhalten will, ihren Auftrag verstärkt auf die Kultur auszurichten. Es ist unabdingbar für einen wettbewerbsfähigen und kohärenten Kulturbetrieb in der Schweiz, dass dieses explizite Bekenntnis des Bundesrates für die Bedeutung der Kultur auch entsprechend ausgestaltet wird. Es muss dazu die SRG in diesen Bereichen konkret gefordert und auf einen Leistungskatalog «Kultur» verpflichtet werden, welcher in der Konzession abzubilden ist. Besonders wichtig ist dabei für die Kulturschaffenden die Erläuterung, welchen Stellenwert die Kultur und damit auch einzelne Sparten wie insbesondere die Games, die Musik, der Film, die Literatur, die bildende Kunst, Tanz und Theater in den künftigen SRG-Programmen erhalten werden.

In diesem Zusammenhang ist allerdings auch festzuhalten, dass sich Kultur und Unterhaltung gegenseitig nicht ausschliessen und nicht einfach trennbar sind. Die Bereiche überschneiden sich (z.B. im Bereich Comedy, Volksmusik uvm). Es wäre verheerend und ganz klar nicht im Sinne der Schweizer Kulturbranche, wenn man hier U(nterhaltungs)- gegen E(rnste)- Kultur ausspielt. Dagegen wehren wir uns ausdrücklich. Auch hier ist auf die Schweizerische Kulturbotschaft zu verweisen, die explizit von einem breiten Kulturbegriff und kultureller Teilhabe der gesamten Bevölkerung ausgeht.

Wie weiter oben ausgeführt, möchten wir an dieser Stelle aber noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Bundesrat zuerst den Kulturauftrag der SRG und die sonstigen Aufträge definieren und den finanziellen Bedarf zur Erfüllung der Leistungen berechnen müsste, bevor er die Abgabenhöhe festlegt.

2.4 Die aktuelle Kompetenzordnung soll beibehalten werden

Suisseculture teilt die Ansicht des Bundesrates, dass an der heutigen Kompetenzordnung festgehalten werden soll: Das Parlament regelt über Bundesgesetz RTVG die Grundsätze, während die Höhe der Abgabe, aber auch die Investition gegenüber konzessionierten privaten Anbietern wie Lokalradios und Privatfernsehen sowie der Beitrag an die SRG durch den Bundesrat bestimmt und geregelt wird. Die SRG soll nicht zum Spielball (partei-)politischer Interessen werden. 

Der Bundesrat muss auch in Zukunft den konkreten Inhalt der Konzessionen mitbestimmen und dafür verantwortlich sein, wie hoch der Beitrag an die SRG, die Lokalradios und das Privatfernsehen sein soll. Diese Aufgabenteilung zwischen Parlament und Bundesrat gewährleistet Kontinuität, Planungssicherheit für die einzelnen Medienunternehmen und die politische Unabhängigkeit der SRG. 

2.5 Ausgestaltung der Haushalt- und der Unternehmensabgabe

Die Haushaltsabgabe wurde in den letzten Jahren sukzessive reduziert. Während sie 2018 noch CHF 451 betrug [3], beläuft sie sich heute auf CHF 335. Damit hat der Bundesrat den Abgabetarif bereits so stark reduziert, dass der Ertrag aus der Radio- und Fernsehabgabe seit 2022 tiefer ist als der Bedarf für die Verwendungszwecke [4]. Auch im erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage wird ausgeführt, dass die Haushaltsabgabe von CHF 335 bereits heute nicht mehr kostendeckend ist und dass die Reserven, die derzeit die Kostendeckung garantieren, 2025 aufgebraucht sein werden. Mit einer weiteren Senkung der Haushaltsabgabe – wie sie nun der Bundesrat vorschlägt – wird sich der Fehlbetrag vergrössern – der Leistungsauftrag der SRG wird nicht mehr finanzierbar sein, insbesondere da die kommerziellen Einnahmen der SRG ebenfalls rückläufig sind [5].

Eine Senkung der Abgabe um knapp drei Franken pro Monat – wie sie der Bundesrat vorschlägt – würde die Haushalte nur geringfügig entlasten, es der SRG aber massiv erschweren bis teilweise sogar verunmöglichen, alle von ihr verlangten Leistungen in gewohntem Ausmass vollumfänglich erfüllen zu können. Im Zeitalter der Desinformation und der Finanzierungskrise des Journalismus – die sich völlig unabhängig von der SRG vollzieht – ist ein derart gewichtiger, unnötiger Abbau des medialen Service public abzulehnen. Der marginale Gewinn an Kaufkraft wöge diesen Verlust an den für Bevölkerung und Demokratie essenziellen Leistungen nicht auf.

Auch wenn wir im Grundsatz Verständnis für den Willen des Bundesrates haben, private Haushalte sowie Unternehmen zu entlasten, halten wir angesichts der bereits heute angespannten finanziellen Ausgangslage der SRG und ihrer unverzichtbaren Leistungen, gerade auch im Bereich Kultur, eine weitere Senkung der Radio- und Fernsehabgaben und die damit verbundene Reduktion der finanziellen Mittel der SRG für nicht angezeigt.

Fazit

Suisseculture begrüsst die klare Ablehnung der «Halbierungsinitiative» durch den Bundesrat. Die Vorschläge des Bundesrats, zum jetzigen Zeitpunkt Anpassungen bei den Abgaben auf dem Verordnungsweg durchzuführen, lehnt Suisseculture jedoch ab. Ein unabhängiges und vielfältiges Kulturschaffen in den vier Sprachregionen der Schweiz braucht eine starke SRG, deren aktuelle Mittel nicht weiter gekürzt werden sollen. Die Abgaben sind so zu berechnen, dass die SRG ihre Verpflichtungen – gerade auch im Kernbereich Kultur und damit als unverzichtbare Kulturproduzentin und Kulturvermittlerin – wahrnehmen und ihre Finanzierung in gleicher Höhe wie heute auch in Zukunft sichergestellt werden kann.

 

[1] Vgl. BAK Basel Economics AG, Volkswirtschaftliche Effekte des gebührenfinanzierten medialen Service public, Eine makroökonomische Wirkungsanalyse im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation BAKOM, 2016. Abrufbar unter https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/studien/einzelstudien.html

 [2]Vgl. die Stellungnahme der SRG zur Teilrevision der Radio und Fernsehverordnung RTVV vom 20. November 2023, abrufbar unter https://www.srgssr.ch/fileadmin/dam/news/2023/Q4/2023-11-20_RTVV_Stellungnahme_der_SRG.pdf.

[3] Vgl. Medienmitteilung des BAKOM vom 18. November 2017, abrufbar unter https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/das-bakom/medieninformationen/medienmitteilungen.msg-id-68454.html

[4] Vgl. Antwort des Bundesrats auf die Anfrage Nr. 23.1010 von Nationalrat Marco Romano.

[5] Vgl. die Stellungnahme der SRG zur Teilrevision der Radio und Fernsehverordnung RTVV vom 20. November 2023, abrufbar unter https://www.srgssr.ch/fileadmin/dam/news/2023/Q4/2023-11-20_RTVV_Stellungnahme_der_SRG.pdf.

 

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